
Interview mit Dr. Oliver van Laak zum Verkauf von Cognigy
Medien sprechen vom größten KI-Deal Europas: Das Düsseldorfer Start-up Cognigy wird für 955 Millionen Dollar vom US-amerikanischen Softwarekonzern Nice übernommen. Seit der Gründung im Jahr 2016 ist Cognigy Vorreiter im Feld der Künstlichen Intelligenz. Im Fokus steht die Entwicklung von KI-Agenten, die Kundenanfragen in über 100 Sprachen automatisiert beantworten können. Heute nutzt eine Vielzahl international bekannter Marken die Technologie, um den digitalen Kundenservice zu verbessern.
Dr. Oliver van Laak, Gründer und Vorstand der Cassini AG, verfolgt die Erfolgsgeschichte von Cognigy intensiv von Beginn an: Als Geschäftsführer der Cassini Consulting war er mitverantwortlich für die Entscheidung, 2017 in das Start-up zu investieren. Im Interview verrät er, was die Verkaufsnachricht mit ihm gemacht hat, er spricht über die Gründe für die Beteiligung vor acht Jahren und er erklärt, welche Bedeutung der Exit für den Digital- und KI-Standort Deutschland haben könnte.
Oliver, am vergangenen Montag wurde der Verkauf von Cognigy besiegelt – ein großer Tag für die Gründer. Wie fühlst du dich stellvertretend für die Cassini Consulting?
Es ist etwas surreal. Uns war immer klar, dass es sich um ein gut laufendes Unternehmen handelt. Das Interesse auf dem Markt war groß, da hat sich ein Verkauf irgendwann abgezeichnet. Aber du weißt ja nicht, wie und wann es dann tatsächlich passiert. Und dann ging es auf einmal recht schnell. Wir waren am Sonntag zur Unterschrift beim Notar, am Montag folgte die Transaktion. Du denkst danach ein bisschen darüber nach und zwei Tage später gibt es dieses große mediale Echo. Als auch die BILD berichtete, wurde mir bewusst, welche große Bedeutung der Deal hat. Finanzielle Zahlen, vor allem in dieser Größenordnung, sind sehr abstrakt. Natürlich ist es mit den Anteilen ein toller wirtschaftlicher Erfolg für uns. Aber als mich Menschen angeschrieben und gratuliert haben, obwohl Cassini ja nirgendwo namentlich erwähnt wurde, habe ich das Ganze noch einmal ganz anders wahrgenommen. Wir hatten plötzlich einen richtigen Nachrichtenwert. Das war schon sehr spannend.
Du hast neben der emotionalen kurz die finanzielle Ebene angeschnitten. Welche Bedeutung hat der Verkauf für Cassini?
Unsere Beteiligung war ja nicht ganz so hoch. Wir waren zu jedem Zeitpunkt der kleinste Investor. Für die Cassini Gruppe zählt hier eher die Reputation und nicht so sehr die finanzielle Ebene. Wir freuen uns über die Bestätigung unserer guten Arbeit als Investor.
Cassini hat sich 2017 an Cognigy beteiligt. Wie wurdest du auf das Startup aufmerksam?
Es gab ein Sommerfest vom Digital Hub Bonn, bei dem Bands aufgetreten sind und sich Start-ups präsentiert haben. Dort habe ich Sascha Poggemann getroffen, einen der Gründer von Cognigy. Wir sind ins Gespräch gekommen und er hat mir skizziert, was er mit Cognigy vorhat. Das fand ich interessant. Ich glaube, es war so ein bisschen gewollter Zufall. Dass ich genau dort jemanden treffen würde, bei dem ich mir ein Investment vorstellen könnte, habe ich nicht erwartet. Aber grundsätzlich bestand zu der Zeit schon der Plan, sich ein bisschen umzugucken. Und dann hat es gefunkt, würde ich sagen.
Zum Zeitpunkt der Beteiligung war die Haltung gegenüber KI-Agenten in Deutschland eher zurückhaltend. Viele sahen in „Chatbots“ nur einen kurzfristigen Hype. Cassini kam zu einer anderen Bewertung. Was waren die Gründe?
Was mit den Lösungen von Cognigy alles möglich ist, war uns ehrlich gesagt nicht so klar. Heute wissen wir, dass sie viele Unternehmen nutzen, um ihren Kundenservice zu verbessern. Im Nachhinein erscheint das logisch. Aber als wir eingestiegen sind, gab es noch ganz andere Ideen. Ein Ansatz lag im Gaming-Sektor. Wir dachten damals, es wäre doch ein richtig gutes Geschäftsmodell, wenn du dich in einem Adventure mit den Charakteren unterhalten und in einen echten Dialog mit ihnen treten kannst. Das hat jedoch nicht gefruchtet (lacht). Die Sache mit den Chatbots hat sich erst sukzessive entwickelt. Überzeugend fanden wir, dass Sprache als Schnittstelle viel besser funktioniert als Schrift. Aber es braucht auch ein System, um die Informationen effizient zu managen. Bei Cognigy kam beides zusammen. Das ergab für uns als Idee Sinn. Chatbots standen zu dem Zeitpunkt aber noch nicht im Fokus. Was daraus geworden ist, war nicht abzusehen. Es war auch keine beständige Erfolgsgeschichte, der Anfang war schon nicht ganz einfach.
Seit der Beteiligung hat das Thema KI enorm an Bedeutung gewonnen. Wie blickst du auf den rasanten Fortschritt im Zusammenhang mit der Entwicklung von Cognigy?
Der Begriff KI war damals noch nicht so gesetzt. Zwar hatte man schon davon gehört, doch eine etablierte KI-Branche gab es nicht. Das Kernargument von Cognigy war immer, dass generative KI allein ihre Use Cases gar nicht abbilden kann. Das ist auch heute noch so. Im Grunde geht es um das Management von Dialogen. Uns war klar, dass dafür Spracherkennung notwendig ist. Aber dass sich das im großen Kontext von KI so rasant entwickeln würde, wusste ja keiner. Auch wir nicht (lacht). Lösungen wie Alexa, die dann auch in Deutschland immer mehr genutzt wurden, haben dem Ganzen den entscheidenden Schub gegeben und zu deutlich mehr Akzeptanz auf Kundenseite geführt. Plötzlich war die Bereitschaft hoch, sich mit dem Thema KI auseinanderzusetzen. Das hat Start-ups wie Cognigy enorm geholfen.
Wie sah die Zusammenarbeit in den vergangenen acht Jahren aus – gab es Momente, die du als besonders prägend in Erinnerung hast?
Zu Beginn gab es zwei Investoren, Bjarne Hansen aus Kalifornien und uns. Die Kooperation war am Anfang recht eng – eine großartige Zeit. Wir haben uns viel abgestimmt, auch weil die Gründer Feedback brauchten, um ihre Produkte und Ideen weiterzuentwickeln. Dass der Markt einmal so funktionieren würde wie jetzt, war alles andere als klar. Da ist es für alle Beteiligten gut, regelmäßigen und intensiven Austausch zu haben. Wir haben gemeinsam überlegt: Wo wollen wir hin, welchen Markt möchten wir adressieren? Ich war fasziniert davon, wie schnell die Kolleginnen und Kollegen von Cognigy den US-amerikanischen Markt in den Blick genommen haben. Noch bevor in Deutschland der erste halbe Schritt getan war, haben sie gesagt: Wenn wir Ambitionen haben, müssen wir in die USA gehen. Mit der Unterstützung von Bjarne haben sie dies dann auch gemacht und plötzlich wurde es ein sehr internationales Geschäft, das sich rasch weiterentwickelt hat. Es kamen Investoren hinzu und Cognigy hat relativ schnell gelernt, allein zu laufen.
Welche Erkenntnisse nimmst du aus dieser Erfolgsgeschichte mit?
Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass ein solcher Weg alles andere als planbar ist. Wie gesagt, die letzten Jahre waren keine reine Erfolgsgeschichte, diese positive Entwicklung hat sich lange nicht abgezeichnet. Ich glaube, gerade am Anfang war es eine sehr starke Leistung der Gründer, dranzubleiben und viel auszuprobieren. Sie wussten, was sie können, waren dabei aber nicht dogmatisch, und haben so das Feld gefunden, in dem sie durchstarten konnten. Das war auf der einen Seite mutig, andererseits von einer großen Lernbereitschaft geprägt. Ich war auch beeindruckt davon, wie konsequent, klar und professionell sie gehandelt haben. Zum Beispiel bei Personalentscheidungen, mit denen sich viele Start-ups schwertun. Das war alles gradlinig bei der Struktur und den Qualifikationen. Außerdem ist ihnen die Skalierung sehr gut gelungen. Und eine letzte Erkenntnis: Du musst mutig sein, das Selbstbewusstsein und das Rückgrat haben, Summe X zu verlangen und den Deal bis zum Ende durchzuziehen.
Was bedeutet der Exit von Cognigy für Deutschland als Standort für digitale Technologien und Künstliche Intelligenz?
Aus meiner Sicht ist das ein sehr positives Signal. Der Exit ist schließlich das erklärte Ziel der meisten Start-ups und Teil ihrer Geschichte – insbesondere in der IT-Branche. Ich glaube, dieser Exit kann anderen, die noch zögern, ob sie einen ähnlichen Weg gehen sollen, als gutes Vorbild dienen. Die Innovationskraft, das Engagement und das Wissen sind in Deutschland zweifellos vorhanden. Aber es braucht eben auch Mut und Entschlossenheit.

Dr. Oliver van Laak
Dr. Oliver van Laak, Jahrgang 1970, ist Gründer und Vorstand der Cassini AG. In dieser Funktion baute er zunächst als Geschäftsführer verschiedene Geschäftsbereiche bei Cassini Consulting auf. Aktuell ist er für die Geschäftsführung der Digital Incubation and Growth ebenso verantwortlich wie für die Markenentwicklung aller Töchter der Cassini AG.
